DOMRADIO.DE: Sie haben beim Katholikentag in Erfurt über die ethische Dimension der Globalisierung gesprochen. Gibt es die überhaupt? Am Ende entscheidet doch das Geld.
Svenja Schulze (Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung): Nein, es gibt auch eine ethische Dimension. Es gibt auch eine Verantwortung für uns, zum Beispiel als Deutschland zu unterstützen, dass es keinen Hunger in der Welt gibt, dass wir gemeinsam den Klimawandel bekämpfen. Das ist etwas, das nur gemeinsam funktioniert. Da bestimmt also nicht nur das Geld. Meistens geht es dann eher um fehlendes Geld für sinnvolle Projekte.
DOMRADIO.DE: Eine große Rolle bei der Entwicklungszusammenarbeit spielen auch die Religionsgemeinschaften. Vier von fünf Menschen auf der Welt haben ein religiöses Bekenntnis. Trotzdem teilen diese Religionsgemeinschaften nicht alle die Werte unserer Gesellschaft in Deutschland. Welche Rolle spielen diese Religionsgemeinschaften für die Bundesregierung?
Schulze: Religionen sind überall vertreten, selbst in den abgelegensten Regionen. Deshalb ist es eine große Chance über Religionsgemeinschaften wichtige Themen für die Weltgemeinschaft zu adressieren. Mein Ansatz wäre da eher die Kräfte zu bündeln, gemeinsam vorzugehen, möglichst viele Menschen zu erreichen, um die Welt ein Stückchen besser zu machen, wenn ich das mal so pathetisch sagen kann.
Wenn wir wirklich ernsthaft Hunger in der Welt bekämpfen wollen, dann wird das nur gemeinsam funktionieren. Klimaveränderung, Biodiversität, alles das können wir nur gemeinsam angehen. Die Kirchen spielen da eine ganz wichtige Rolle. Viele wissen das gar nicht, aber die Kirchen leisten sehr wertvolle Entwicklungszusammenarbeit. Misereor, missio, Brot für die Welt – die Hilfswerke sind alle sehr engagiert und machen hervorragende Projekte, die das Leben der Menschen besser machen. Darüber mehr zu reden, das besser herauszuheben, ich glaube das können wir besser gemeinsam.
DOMRADIO.DE: Vor kurzem hat die EU nach langen Debatten das Lieferkettengesetz beschlossen, über das auch in der Bundesregierung intensiv gerungen wurde. Welche Rolle haben da eigentlich die Kirchen gespielt?
Schulze: Das Lieferkettengesetz ist ein wichtiger erster Schritt, um Verantwortung zu übernehmen, wie wir hier leben und konsumieren. Damit achten wir genauer darauf, dass zum Beispiel keine Kinderarbeit genutzt wird, dass nicht die Umwelt zerstört wird, um Produkte für uns herzustellen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt der Zusammenarbeit auch mit den Kirchen.
Die waren insofern sehr wichtig, weil sie sehr engagiert für das Lieferkettengesetz geworben haben und auch an Beispielen sehr deutlich gemacht haben, was das für Menschen vor Ort bedeutet. Was das für eine Kaffeebäuerin bedeutet, wenn ihre Kinder in die Schule gehen können und eben nicht mit in den Plantagen arbeiten müssen, weil es eben einen fairen Preis für den Kaffee gibt und Kinderarbeit nicht mehr Teil dessen sein darf. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne.
Ich habe heute hier an mehreren Stellen den vielen Engagierten in den Kirchen gedankt für das große Engagement. Ohne sie wären wir nicht so weit gekommen.
DOMRADIO.DE: Auch der Umweltschutz ist ein großes Thema für die Bundesregierung. Katholisch würde man sagen die "Bewahrung der Schöpfung". Papst Franziskus hat dazu 2015 die Umweltenzyklika "Laudato Si" veröffentlicht. Welche Rolle spielt es für Sie, den Global Player katholische Kirche hinter sich zu haben?
Schulze: Das spielt eine ganz wichtige Rolle, weil es einfach dazu beiträgt, dass solche Themen noch einmal viel breiter diskutiert werden, dass das auch als ein Thema der kirchlichen Gemeinschaften wahrgenommen wird. Das ist beim Umweltschutz so, beim Klimaschutz, beim Kampf gegen Armut und Hunger so, dass Kirchen eine wichtige Rolle spielen, mehr als viele in Deutschland wahrnehmen.
DOMRADIO.DE: Als Bundesregierung haben Sie sich eine "feministische Politik" auf die Fahnen geschrieben, in Ihrem Fall eine "feministische Entwicklungspolitik". Nun haben wir Religionsgemeinschaften, in denen Frauenrechte ein schwieriges Thema sind. Auch der katholischen Kirche wird eine fehlende Gleichberechtigung von Frauen bis heute vorgeworfen. Ist dieses Thema im Austausch ein Konfliktthema?
Schulze: Ich habe den Begriff feministische Politik gewählt, um auch ein wenig Reibung zu erzeugen. Hätte ich einfach gesagt, wir setzen jetzt endlich einmal das Menschenrecht auf Gleichstellung um oder wir halten uns an unser Grundgesetz, das hätte sicherlich nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Und so wird viel stärker darüber gesprochen. Das Ziel ist ganz klar: Wir wollen Geschlechtergleichstellung erreichen – und zwar überall. Auch in Deutschland arbeiten wir da noch dran, natürlich auch in der katholischen Kirche. Die Bewegung Maria 2.0 spielt eine ganz große Rolle, um die Rechte von Frauen auch deutlicher zu machen.
Genau so geht es uns auch in der Welt. Wir können beweisen, dass die Projekte, wo Frauen beteiligt sind, deutlich erfolgreicher und nachhaltiger sind, dass sie besser die Ziele erreichen, die in der Entwicklungspolitik vereinbart sind. Insofern haben wir gute Argumente – aber wie auch in Deutschland müssen wir auch international noch überzeugen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.